Pommernvliese

Teil 3: die Vliesstruktur

unter der Lupe: der chaotische Krimp

Die Struktur des Vlieses soll ebenso wie die Farbe gleichmäßig sein – von vorne bis hinten. Das Besondere an der Struktur der Pommernvliese ist ihr Chaos. Auf dem Bild ist Pommernwolle unter die Lupe genommen worden, und das wollen wir im wörtlichen Sinn jetzt auch mal tun!

Mischwolle, im englisch sprachigen Raum Double-Coat genannt besteht aus feiner Unterwolle und darüber lang abwachsendem Überhaar. Dabei gibt es im Vlies oft noch kurze Stichelhaare, Kemp genannt, die wie die Kopf- und Beinbehaarung ein kurzes unflexibles Haar ist. Dabei ist die Wollfaser fein und gekräuselt, das Überhaar etwas gröber und gewellt.

Vliesstapel

Auch das Vlies der Pommernschafe nennt sich Mischwolle, hat aber – wie Gunhild Kurt in ihrer Dissertation 1995 dargestellt hat – eine ganz besondere Struktur! Die Vliese bestehen aus verschiedenen Fasern in unterschiedlicher Zusammensetzung. Dabei kommen Wollfasern und Langhaare in allen Vliesen vor, Kemp, Kempartige Langhaare und wollartige Langhaare sind zusätzliche Bestandteile der Vliese.  Wichtig für die Struktur ist eine Mischung aus verschiedenen Wollfasern und Haaren, die sich anders als beim Mischvlies / Double-Coat  nur geringfügig in der Länge unterscheiden: das Langhaar ist länger als der Rest des Vlieses und bildet einen Regenschutz, an dem das Wasser abfließen kann. Aber der Unterschied zur Länge der Wollfasern ist geringer als beim klassischen Double-Coat. Wichtig für die Bewertung der Vliese ist eine Mischwolle, die über das ganze Tier gleichmäßig ist.

Brunhilde: Wollnote 8

Die einzelnen Fasern können 10 µ bis 60 µ und mehr haben – in fließendem Übergang. Die durchschnittliche Faserstärke (MFD) liegt dabei zwischen 25 µ und 41 µ wobei ein mittlerer Wert von 30-35 µ erwünscht ist. Dabei hat jede Faser ihre individuelle Kräuselung, den Krimp, der zwischen 32 deg/mm und 80 deg/mm liegt. So entsteht ein für Pommernvliese Chaotischer Krimp, der dazu führt, dass die Vliese voluminös sind und Kraft haben – wie der Züchter sagt.

Auf dem Bild ist die Verteilung der verschiedenen Feinheiten in einem typischen Vlies zu sehen - eine Aussage über die Verteilung der verschiedenen Faseranteile ist mit dieser Messmethode nicht möglich. Frau Kurt hat mit ihrer Einzelbetrachtung der Fasern festgestellt, dass der Haaranteil im Vlies bei 15-24% liegt, dabei sind die Überhaare größtenteils hohl und flexibel.

Der chaotische Krimp im Zusammenhang mit der Mischung aus Wollfasern und Haaren ergibt einen Faden, der deutlich voluminöser und wärmender ist, als einer aus gleichmäßiger Feinwolle. Der gleiche gut isolierende Effekt wirkt natürlich auch für die Schafe, in dem Chaos können sich viele Luftkammern bilden.

hier markiert es ein wenig

Ein bei Körungen schon mal bemängelter Fehler der Wolle ist markierte Wolle, oft auch Überbogigkeit genannt, auf dem Bild sieht man es im lang abgewachsenen Vlies an einer Stelle.

Dabei handelt es sich um Faserstrukturen im Vlies die einen gleichmäßigen Krimp haben. Die Fasern liegen– wie die Löffelchen in der Schublade – parallel zueinander und dadurch wird für unser Auge der Krimp erkennbar. Dabei handelt es sich nicht um einen Wollfehler im Sinne von unbrauchbarer Wolle, aber bei Pommernwolle –erinnert euch ans Chaos – ist gleichmäßiger Krimp nicht gewünscht.

markierende Merino-Fleischschaf Wolle

Bei feinwolligen Rassen wird markierende Wolle mit Freude gesehen! – Eine Rücksprache mit Liebhaberinnen feiner Wollen hat ergeben, dass es sich dabei nicht um Überbogigkeit handelt! Überbogige Wolle besteht aus Fasern (Wollfasern) die im Krimp nicht nur sinusartig gebogen sind, sondern richtige Schleifen über die 180° des Halbkreises hinaus machen. - auf dem Bild ist markierende Merino-Fleischschaf-Wolle zu sehen, eine der feinsten Wollen die wir in Deutschland haben.

markierte Wolle unter der Lupe

markierte Wolle unter der Lupe: die Fasern sind parallel

Ergänzend wäre noch zu erwähnen, dass echte Überbogigkeit ein Wollfehler ist, der für Handspinnerinnen nicht relevant ist. Einige Wollfehler wie Brüchigkeit oder Zwirnigkeit verderben die Wolle. Andere Wollfehler (wie Überbogigkeit) sind für die industrielle Verarbeitung der Wolle ein Problem – die Maschinen laufen so schnell, dass überbogige Wolle zu sehr strapaziert wird und brechen kann oder Spannung im Faden aufbaut die Probleme bei der Weiterverarbeitung verursachen. – Für das langsame Verarbeiten von Hand ist das jedoch kein Problem – man muss nur wissen, wie man damit umgeht und was man daraus herstellen möchte.

Bei Pommernvliese ist mit echter Überbogigkeit jedoch nicht zu rechnen.