Der Ralswieker Handschuh
ist ein prähistorisches Fundstück, das mit den Rauhwolligen Pommerschen Landschafen in Verbindung gebracht wird und deswegen hier auch Erwähnung finden soll.
Der Ralswieker Handschuh ist ein sehr gut erhaltener Wollhandschuh der auf Rügen – Heimat der Pommernschafe- in der Siedlung Ralswiek gefunden wurde. Der Handschuh ist gewebt und die Teile sind zusammengenäht. Die Wolle ist auch verfilzt, Filzen war aber zu dieser Zeit vermutlich noch keine bekannte Technik, so dass man davon ausgeht, dass der Filz beim Tragen entstand.
In den 1960ger Jahren ist Peter Herfert bei Ralswiek einem Städtchen im Norden der Insel Rügen auf der Suche nach einem Gräberfeld gewesen, von dem er gehört hatte. Er fand das Gräberfeld und bei Ausgrabungen in dessen Nähe eine Siedlung und einen Seehafen mit gut erhaltenen Schiffswracks, von dem aus im Ostseeraum gehandelt wurde. Die Siedlung/ der Hafen waren von Mitte des 7.Jh bis ins 12. Jh hinein bewohnt. Auf Rügen lebten zu der Zeit die Ranen, ein Volk der Slawen , die auch die Bevölkerung auf dem Festland bildeten. Mehr dazu: Achim Leube: Geschichte Rügens im Mittelalter
In Ralswiek lebten aber auch Wikinger. Bei den Ausgrabungen wurden nun also (unter anderen Funden) gut erhaltene Textilien gefunden, man geht davon aus, dass diese dort hergestellt wurden, bei einem Seehandelshafen könnte man ja sonst auch anderes vermuten. Die Textilien – der Handschuh, ein Kinderschuh und anderes was nicht genau zuzuordnen war, sehen auf Bildern graubraun bis braungrau aus. -ich habe kein Foto, dass ich hier verwenden kann, aber die Rekonstruktion des Handschuhs ist auf einer Webseite dargestellt: Rekonstruktion des Ralswieker Handschuhs
Der Handschuh wird auf das 9.-10. Jh. datiert und ist damit gut 1100 Jahre alt, ein stolzes Alter! Die Wolle ist grob, mischwollig (= besteht aus Wollfasern und Haaren) und graubraun, da fallen einem die Pommern doch zwangsläufig ein, und: Ralswiek liegt auf Rügen, dem Stammzuchtgebiet der Pommern!
Waren das schon Pommersche Landschafe? Die Slawen waren in Begleitung des „Zaupelschaf“ genannten Schafes auf ihren Völkerwanderungen unterwegs, das als Vorfahre des RPL gilt.
Wollfunde – die allgemein sehr selten sind und selten so gut erhalten wie diese- und Knochen- /Hornfunde- sind die Quellen die aus dieser Zeit über Schafe erzählen können. Ich weiß nicht, ob es in Ralswiek auch Knochenfunde gab. Das Ganze ist sehr interessant, aber auch sehr vage und ob die Schafe die die Wolle für den Handschuh lieferten tatsächlich die Ururahnen der Rauhwolligen Pommerschen Landschafe waren, kann wohl niemand beantworten. Auszuschließen ist es aber auch nicht!
Rügenjahrbuch 2019
Hinweis auf graue wollige Schafe vor der Erwähnung von Fitzinger hat Gabriele Poggendorf in einem Artikel im Rügenjahrbuch erwähnt. Sie schreibt, dass in Archiven Berichte über graues Tuch aus Stralsund zu finden sind. Das graue Tuch wurde in der Region aus den dortigen Wollerträgen hergestellt und war ein wichtiges Handelsgut- vom 14.Jh bis ins 17.Jh. hinein. Leider gibt es keine direkten Berichte über die Schafe. Frau Poggendorf schreibt, dass 1723 im damals schwedisch regierten Stralsund bunte Schafe verboten wurden, wenige Jahre später erneut und dann wohl noch einmal Ende des Jahrhunderts. Sie schreibt, dass der Regierungspräsident des Regierungsbezirks Stralsund, Karl R. Graf von Krassow an die (inzwischen preußische) Verwaltung berichtete, dass es „1816 138.440 rauhe und 25.670 veredelte Schafe“ gab. 1865 waren es dann „491.000 veredelte und 65.183 rauhe“ Schafe. -- Danach sei der Wollmarkt wegen billiger Wolle aus Australien eingebrochen.
graue und weiße Wollen
Die veredelten Schafe hatten vermutlich Merinoblut in ihren Adern- Merinoschafe kamen aus Spanien und hatten eine feine, weiche und weiße Wolle, die in der boomenden Wollindustrie heiß begehrt war und gut bezahlt wurde- bis die Australier den Markt übernahmen. Die „rauhen“ könnten Vorfahren pommerscher Landschafe gewesen sein, grau-schmutzigweiß-bunt mit gröberer Mischwolle, die zum größeren Teil vermutlich der Landbevölkerung oder Fischerfamilien gehörten, die die Wolle selber verarbeiteten. Schafe mit grauer Wolle hat es um Stralsund herum also vermutlich schon lange gegeben.
Der Wollmarkt brach dann wirklich empfindlich ein. Aber nicht nur wegen der Australier, sondern auch weil die Amerikaner ein Einfuhrverbot für Wollstoffe verhängten. Um die eigene Industrie zu fördern....
Am Hadrianswall – einem Teil des Limes, den die Römer in Britannien in der Nähe des heutigen Grenzgebietes zwischen England und Schottland errichteten um den Handel an der Grenze des römischen Reiches kontrollieren zu können und der vom 2.-5.Jh genutzt wurde - wurden Stoffreste aus der Eisenzeit gefunden und untersucht. Dabei kam heraus, dass 40% der gefundenen Wollen weiß waren, 50% grau und der Rest schwarz oder braun. (siehe: The Encyclopedia of Historic and Endangered Livestock and Poultry Breeds S.98, Janet Vorwald Dohner (google books) 2001
Das ist weit weg von Rügen/ Stralsund, das waren andere Schafe, aber lässt sich da eine Tendenz erkennen? Früher gab es öfter graue Schafe?
Bei meiner Recherche bin ich auf ein „Edict wegen Abschaffung der schwartzen, braunen, griesen und grauen Schafe und Schaf-Böcke“1722, von Friderich Wilhelm von Gottes Gnaden König in Preussen (Friedrich Wilhelm II) gestoßen. Friderich Wilhelm hatte wohl bereits 1718 den Manufakturen angeordnet, nur noch weiße Wolle zu verarbeiten, doch die hatten kundgetan, dass es an einheimischer weißer Wolle fehle.
Die Tendenz, weiß wollige Schafe zu fördern und bunt wollige zu verbieten war also eine Idee, die mehrfach gezielt umgesetzt wurde. Der Erfolg ist auf den heutigen Weiden zu sehen: fast nur noch weiße Schafe. Weiße Wolle lässt sich einfacher, standardisiert färben. Sogar „Naturtöne“ werden eher gefärbt als einzeln gesammelt und verarbeitet! Nur ein paar alte, heute im Bestand gefährdete Schafrassen blieben mit ihren bunten Vliesen über und liefern uns bis heute echte naturfarbene Wolle.